Albert Weber: Zwischen Real und Abstrakt 

weber5Erstaunlich: Da malt Albert Weber ein aussagedeutliches Bild, etwa „Victory Yellow“, das bekannte Siegeszeichen der Hand – aber wir sind erst überrascht durch die verfremdende bildliche Anreicherung der Aussage. Das ist es: Kennzeichen des „Weberismus“ ist eine 4-dimensionale Bedeutungssteigerung des Dargestellten. Es ist 1. das Bild in seiner ganzen symbolischen Aussagekraft, wir kennen es; denn es ging durch die Medien, es hat mit diesem Hintergrund des schwer errungenen Sieges die ganze Bedeutungsschwere. Aber das genügt Weber nicht: Er zeigt das vergossene Blut, das Herzensblut des Sieges 2. durch das Rot einer kleinen „Siegessäule“, in der Höhe bis zu einem Drittel der Siegeshand. Denn der Sieg ist errungen, jetzt zählt nicht mehr das Herzensblut, jetzt zählt die Überwindung, ja die Freiheit: 3. Nach dem Sieg war erst einmal das Nichts des Chaos. Parallel zur Siegeshand ist „nichts“. Erst die erfolgte Klärung wird durch ein weißes breiteres Rechteck am linken Rand symbolisiert, in Höhe der ausgestreckten Siegesfinger: Auf der ganz anderen Seite des erkämpften Sieges tut sich ein Fenster der Freiheit auf, ein Herausgehen aus dem morphogenetischen Feld des Kämpfens. Der Sieg generiert etwas ganz Anderes als der Siegeskampf. Und der Sieg ist erst 4. vollständig auf dem gelben Hintergrund des ganzen Bildes, Gelb als Farbe des Lichts, der Versöhnung.

Die abstrakt hinein gesetzten Elemente der Bilder von Albert Weber vervielfältigen die Aussage, ja sie sind die Aussage. Die angebliche Abstraktheit der Rechtecke ist nicht abstrakt, sondern unterstreichende Aussage, ja konkrete Verdichtung: durch die gewählte Farbe, durch die Höhe, die Breite, durch die Positionierung zur Bildaussage. Weber nutzt Abstraktion zu dem, was sie ist: Abstraktion ist die nicht mehr zu steigernde Verdichtung einer Aussage. Rechtecke haben die ganze Vektorkraft des Eckigen. Weber balanciert ihre Gravitation als Gewichtung der Aussage: als Ort und Größe innerhalb des Bildes. Zudem verdeutlicht ihre ausgesuchte Farbe die elektromagnetische Kraft, die Energie dieser Gewichtung. Und die Hintergrundfarbe erklärt, verklärt, fasst zusammen, ja verweist auf die allgemein menschliche Existentialität. Hinzu kommt die sprachlich abstrakte Bezeichnung der Bilder, eigentlich des Hintergrunds der Bilder. Weberismus gibt der Aussage also eine bildliche Elektromagnetogravitation. Die Bilder ab 2001 zeigen eine Entwicklung. Sie sind damals symbolistisch chaotisch orientierend: Beispielbild Departure: Der stabil-freudig-gelbe Aufbruch fließt mit Hilfe des Flusses zum verdeckten Ziel, bis ihn eine schwarze Wand im Hintergrund abblockt: die Unklarheit der Zukunft.

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Die Entwicklung schält den beschriebenen Weberismus in einer Vielzahl der Techniken immer klarer heraus. Weber geht es um Existenz, Frage, Macht und Ohnmacht, männlich-weiblich-Kommunikation (Beispielbilder „Mergus Serrator“, „Podiceps Cristatus“), Äußerliches und Innerliches (Beispielbild „Face Blue Red“), Sehen und Nichtsehen (Beispielbild „Blue to Blue“), Fragen über Fragen (Beispielbilder „Up Pink“, „Face Blue Red“), Schwäche der Stärke (Beispielbilder „Back Yellow“, „Shit Blue“, „Down Green“), Dunkles im Unheimlichen der menschlichen Existenz (Beispielbild „Sunset“) bis hin zum Dramatisch-Politischen (Berlin kocht vor Empörung 3.8.11 und Bau der Mauer 1961: „Past – The Berlin Wall“). Beeindruckend ist die Tiefe, die Gravitation der Aussage mit den einfachst möglichen Bildmitteln – ein Kunststil der Resonanz alltäglicher Symbolisierung mit ihrer Tiefengrammatik.

Prof. Dr. Peter Heitkämper

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Albert Weber: “Free Berlin” - ein Künstlermonografie 

weber8Der Katalogtitel „Free Berlin“ entstammt der künstlerischen Auseinandersetzung von Albert Weber mit dem fünfzigsten Gedenktag des geschichtsträchtigen Mauerbaus zwischen Ost- und Westberlin in der Arbeit „Past – The Berlin Wall“. Die Malerei wird um eine originale Zeitung des Jahres 1961 erweitert. Auf den Kopf gestellt ist sie Sinnbild für das Verrücken jeglicher Normalität. Damit ist ein historisches Relikt Teil des künstlerischen Werkes – Geschichte wird verarbeitet und vergangene Zeiten und Inhalte erlangen neue und erweiterte Aktualität. Während sich dieses Gemälde mit einem politischen Ereignis der Vergangenheit auseinandersetzt, bilden Ökonomie und Gesellschaft ebenfalls wichtige Anknüpfungspunkte. Im Vordergrund stehen jedoch das einzelne Werk sowie die individuelle künstlerische Vielfalt.

Zwischen abstrakter Form, skurriler Realität und inhaltlichem Ernst bewegt sich Webers Malerei. Zyklisch verändert sich die Motivwelt und spiegelt die Einflüsse aus Umwelt und Medien wider. Die Vielfalt reicht von reduzierten Flächengliederungen über geometrische Formsysteme zur naturalistischen Tier- und Menschendarstellung.

Ein Thema jedoch zieht sich durch das gesamte Werk: die Auseinandersetzung mit der menschlichen Figur. In der abstrakten Bildkomposition ziehen sich Spuren, farbige Hand- und Fußabdrücke, durch den Bildaufbau und 2005 ist die menschliche Hand Motiv einer Werkgruppe.

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Vor neutralem Hintergrund werden verschiedene Gesten nahansichtig und naturalistisch  abgebildet. Der abstrakte Raum wird von der ausschnitthaften Darstellung des Menschen besetzt. Diese Entwicklung wird 2009 intensiviert. Malerische Versatzstücke, scheinbar aus Fotografie oder Werbung entnommen, sind in das Bild gesetzt und collageartiganeinandergereiht. Nahtlos über geht das individuelle Abbild in die künstlerische Auseinandersetzung mit der menschlichen Anatomie. Zeitliche Ebenen stoßen aneinander und verbildlichen die Flüchtigkeit der menschlichen Existenz. Die Unmittelbarkeit realer Ereignisse ist ebenso  relevant wie die malerische Autonomie.

Auch stilistisch ist die Malerei von vielfältigen Einflüssen geprägt – je nach Motivgruppe zeigen sich verschiedene Ansätze und Ausprägungen. Möchte man der Vielfalt ein System zuweisen, ist die Entwicklung von der Abstraktion zur Realität zu nennen. Während zunächst die flächenbestimmte Komposition dominiert, wendet sich der Künstler verstärkt dem  konkreten Thema und der realistischen Darstellung zu. Trotz dieser Tendenz, bleiben Realität und Abstraktion im einzelnen Werk häufig untrennbar verknüpft. Auf individuelle Weise steht die feinausgearbeitete Malerei nach der Natur neben der grobkörnigen Abstraktion. Tierdarstellungen zeigen das Positionieren zwischen Real und Abstrakt mit unmittelbaren, fließenden Übergängen. Weber setzt die realistisch ausgearbeiteten Geschöpfe in einen Flächenraum und übersteigert die natürliche Farbigkeit des Gefieders in eine leuchtende, kräftige Farbflächenmalerei.

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Neben einem regelmäßigen geometrischen System in einzelnen Werken, findet sich insgesamt die rechteckige Fläche. Unabhängig von Stil und Motiv zieht sich das Prinzip des Farbfeldes durch das Schaffen. Verschieden große und verschieden farbige Rechtecke sind als eigenständige Elemente in die Gemälde gesetzt – ein formal inhaltfreies und stilübergreifendes Element ist Konzept in der facettenreichen Malerei von Albert Weber.

Verena Zeiner, M.A.

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Albert Weber, Jg. 1957, lebt und arbeitet als bildender Künstler im Kanton Zürich in der Schweiz. Zahlreiche Ausstellungen, Ausstellungs- und Messebeteiligungen im In- und Ausland. Seine Werke sind abstrakt und realistisch im gleichen Bild kombiniert (Weberismus). Arbeiten mit Ölfarben, Acryl, Spachteltechnik, Metallen, Beton, Diamanten, Marmor, Granit, Skulpturen und gestaltende Kunst.

Albert Webers Arbeiten sind über namhafte Galerien zu beziehen.