Organisch, temperamentvoll, witzig und schön: 9 Künstler aus Deutschland, Frankreich, Italien und Indien bei Böhner in der Mallau

oben linksZwei Bildhauer stehen im Mittelpunkt dieser Ausstellung: Georg Freundorfner und Dieter Schwarz. Obwohl beide mit unterschiedlichen Materialien arbeiten - Schwarz mit Stein und Freundorfner mit Holz - haben beide ähnliche Konzepte, denn beide setzen einen Dialog zwischen Materialstruktur und künstlerischer Idee in Gang. Durch diesen dialogischen Prozess erreicht Schwarz ein hohes Maß an Individualität bei seinen Skulpturen. Der Stein, ob grautönig oder schneeweiß, kommt hier voll zu Geltung und wird durch die Formgebung in seiner natürlichen Schönheit verstärkt zur Wirkung gebracht. Bewusst lässt Schwarz Bruchstellen entstehen, scheinbar zufällig entstandene Abbrüche, die den Blick in das Innenleben des Steines freilegen. Die natürliche Maserung erscheint hier als eine Art Zeichnung, die von Natur aus vorhanden ist und vom Künstler mit geschickter Hand freigelegt wird.

Ähnlich minimalistisch geht Georg Freundorfner bei seinen Holzskulpturen vor. Mit Vorliebe verwendet er Sturmholz, das er nach den großen Stürmen aus dem Wald geholt hat. Mit der Kettensäge zerlegt er das Holz in brauchbares Material, dem er sich zunächst analytisch und dann mit den Bildhauerwerkzeugen zuwendet. Auch hier verblüfft der geschickte Umgang mit naturgegebenen Maserungen oder Verwachsungen, die Freundorfner phantasievoll seiner Gestaltungsabsicht unterwirft. Auch hier verblüfft die Harmonie, die nach und nach aus dem Chaos entsteht und die sich schließlich ganz in die Gestaltungsabsicht des Künstlers einbinden lässt. Geht es bei Schwarz um abstrakte Formen, sind es bei Freundorfner tatsächlich Figuren, die er hier zu einem Aussagekanon zusammenfügt. Beim näheren Hinsehen bemerkt man das Feingefühl beim Erspüren der wesentlichen Charakterzüge der Dargestellten: Aufsässig oder schicksalsergeben, introvertiert oder temperamentvoll, mit nur wenigen Andeutungen.

Freundorfner
Schwarz

Georg Freundorfner

Dieter Schwarz

Organisch an die Skulpturen schließen sich die Bilder von Martha Barbara Augustin an, die hier unten im Erdgeschoss und oben, im ersten Obergeschoss, zu sehen sind. Diese Künstlerin arbeitet mit allen möglichen Malmaterialien und schafft so tiefschichtige Untergrundstrukturen, in die der Blick magisch hineingezogen wird. Im Vordergrund steht eindeutig die informelle Struktur, also die Formlosigkeit, das Fließen der Farbe, wie es hier für einen Augenblick

angehalten zu schein scheint. Aber das Formlose selbst ist, wie sie sehen, nicht konturlos, sondern lässt vielmehr Zusammenhänge zu Figuren, ja sogar zu erzählerischen Inhalten erahnen. Gespensterhaft tauchen da plötzlich Silhouetten, bisweilen sogar Figuren auf, die im nächsten Augenblick wieder verschwinden. Die Bildaussage ist hier bewusst offen gehalten und der Betrachter selbst ist dazu eingeladen, eigene Bezüge herzustellen. Aus diesem Dialog zwischen Betrachter und Kunstwerk entsteht der Spannungsbogen.

Augustin

Martha Barbara Augustin

Von ganz anderer Gestalt sind die Bilder von Lothar Lückgen. Vor einer weißen Farbfläche entwickelt er ein imposantes Spiel zwischen Flächen, Linien und Punkten, die sich mehr oder weniger auf ein Zentrum hin orientieren, das wie eine geheime Kraft all diese unterschiedlichen Elemente zusammenhält. Die Zeichnung als solche steht in der Kunstwelt seit einigen Jahren wieder hoch im Kurs und findet Beachtung. Lückgens zeichnerische bzw. zeichenhafte Bilder haben sehr viel von Kandinsky, leben aus dem Kosmos heraus und bedürfen keines Realitätsbezuges, um als Kunstwerke zur Wirkung zu kommen.

Ganz anders hingegen sind die Aquarelle von Sanjay Sikder, der ursprünglich aus Indien stammt. Er erweist sich hier als ein wahrer Meister unterschiedlicher Aquarelltechniken, die er in einem Bild gekonnt zusammenfügt. Aber trotz all dieser meisterhaften Beherrschung ist die Technik bei ihm kein Selbstzweck, sondern Mittel. Im Zentrum steht bei ihm das Motiv an sich und dessen Verknüpfung zur Wirklichkeit. Die

Lothar Lückgen
Sikder

Lothar Lückgen

Sanjay Sikder

Bei Anne-Marie Boyer ist es die Schönheit der Farbe als solche, deren Leuchtkraft sie in ihren Bildern betont. Vor allem aus der Ferne wirken diese Huldigungen an die südliche Landschaft. Gestisch spontan ist der Farbauftrag. Die Formatgrenze bietet hier keine wirkliche Einschränkung, denn die Leuchtkraft wirkt über die naturgegebene Einschränkung eines Bildes hinaus weit in den Raum hinein.

Boyer

Verhaltener dagegen ist die Farbe bei den Bildern von Angela Krieger-Lückgen. Hier ist die Farbe ganz der Zeichnung untergeordnet. Angela Krieger-Lückgen schöpft aus dem Reichtum der surrealistischen Bildersprache. Mit ihr tauchen wir ein in ein Meer, “Nachtmeer” lautet ein Bildtitel von ihr, ein Symbol, das auch für das Meer unserer Ängste und Träume stehen kann, das Meer unseres Unbewusstseins.

Anne-Marie Boyer

Krieger-Lückgen

Angela Krieger-Lückgen

Osele

Mit Giampaolo Osele kommen wir schließlich bei einem Künstler an, der alle möglichen Formen der Materialcollage für sich kultiviert hat. Aus Naturmaterialien und Realien der Alltagswelt baut er Werke auf, die schon allein von ihrer Substanz her schwer einzuordnen sind. Sind es Reliefs,

Giampaolo Osele

Skulpturen oder Bilder? Wie er sich bezüglich der Gattung jeglicher Eingrenzung sperrt, sperrt er sich auch bezüglich seiner Stilrichtung. Er schafft Schönes und Witziges. Ab und zu setzt er kecke Akzente, wie beispielsweise bei den Fontana-artigen Ritzungen, die er mit groben Stichen zusammenhält. Bei all diesem sympathischen Witz ist da aber auch ein großes Wissen um die Kunst, deren Geschichte und deren Bedeutung, die er auf unaufdringliche Art und Weise in seine Schöpfungen einwebt.

SuchodrewVerlängert wurde die Ausstellung um die Werke der Lettin Edith Suchodrew in der oberen Etage des Gebäudes. Hier ist man überrascht von der Farbkraft, die uns entgegenstrahlt. Man erkennt in den farbenfrohen Kompositionen der akademisch ausgebildeten Künstlerin die Synthese zwischen der freien Malerei und der Computergraphik. Es sind Bilder wie das Leben, in denen sich autobiographische Bezüge symbolhaft verdichten. Man ist überrascht, wie sich in diesen Bildern die unterschiedlichen Bereiche überschneiden, wie sich Ebenen ergeben, Durchbrüche und Öffnungen. Edith Suchodrews Bilder setzen sich zusammen aus Zufall und Voraussicht, ganz wie das reale Leben, das am Ende doch nicht planbar ist.

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Text: Peter Burgas & Dr. Helmut Orpel

Fotos: Dr. Claus-Peter Böhner-Fery & Gerold Maier

 

Die Ausstellung dauert bis zum 10.03.2008
BECHTLE IT-SYSTEMHAUS Mannheim
Besselstrasse 20-22 * D-68219 Mannheim-Mallau
Galerie Böhner * Dr. Claus-Peter Böhner-Fery * G7/7
D-68159 Mannheim * fon/fax 0049 (0)621/1566570
www.galerie-boehner.de, www.kunst-spektrum.de

nachvollziehbare örtliche Situation ist für ihn immer noch ein Aspekt, nachdem er seine Kunst beurteilt wissen will. Ob Birnau oder der arabische Souk, die Besonderheit des Genius Loci muss erkennbar sein.