Völlig losgelöst: frische Farben, Expressionen und Innovationen in der Kunst der 46 internationalen Künstlerinnen und Künstler der Galerie Böhner auf der Kunstmesse Salzburg 2006


Reges Treiben herrschte auch dieses Jahr wieder in den Räumen der Kunstmesse Salzburg, in denen die Galerie Böhner ihre zahlreichen internationalen Künstlerinnen und Künstler vorstellte. Farbfreude dominierte die Präsentation, quasi exemplarisch brachten die Werke Gerold Maiers dies durch die vollständige Auflösung jeder Gegenständlichkeit und vollständig freies Schaffen in Farbe zum Ausdruck: "Das MUSS muss wegfallen", benennt es der 1970 geborene Mannheimer Künstler selbst.
 
Gleichwohl bieten zumindest die Künstler aus dem Raum Hagen (Westfalen) viel Gegenständlichkeit in buntem Kolorit. Gisela Polzin zeigte Blumenaquarelle, auch Annemarie Semeria, die sich in Hagen bei Bernhard Matthes und Uwe Nickel künstlerisch ausbildete, bewahrt die florale Motivik in ihren leuchtenden Aquarell, Acryl- und Keramikmalereien.


Christiane Bisplinghoff, Mitglied der Hagener Künstlergilde, vergesellschaftet ihre gedeckteren Töne eher mit applikativen Elementen oder expressionistischen Linien. Horst Brüggemann, Schüler des Hagener Malers Carl Krüger, lässt sich wiederum von formenauflösenden Arbeitsweisen höchstens reizen, bleibt aber dem gegenständlichen, farblich intensiven Stil treu.


Mit der ganz eigenen Technik der Encaustic arbeitet Christel Krones, die in Hagen Malerei unterrichtet. Neben Farbintensität tritt in ihren Werken der eigene Stil der Wachsmalerei, auch sie arbeitet vorwiegend gegenständlich. Encaustic ist auch die Technik der Künstlerin Heidi Krementz, die in Holzkirchen bei München lebt. Ihre Bilder aus Acryl und Encaustic auf Leinwand sind häufig experimentell expressiv.
 
Als innovationsfreudigste Künstlerin des Hagener Raumes kann Marianne Grond gelten. Ihre Bildtehmen sind genuin malerisch, behandeln Bewegungsmotive wie "Sprudelnd und fließend" oder andere ästhetische Momente der Natur. In ihren Aquarellen und Ölbildern entwickelt sie überraschende Transformationen solcher Momente zu Eigenschaften ihrer Materialien. Ihre Kunst ist insofern nicht darstellend, selbst wenn sie in gewisser Weise sogar gegenständlich ist, sondern unmittelbar oder mitunter auch metaphorisch.
 
Andere Künstler der Galerie Böhner setzen gezielt Gegenständlichkeit und sogar Narrativität ein, um ihre ästhetische Weltsicht zu vermitteln. Die geborene Wienerin Renée Baratto vermittelt so ihren durch Reisen in den Orient geschärften Blick für das Licht und seine Wirkungen. Adam Glinski schöpft aus unbewussten Quellen quasi automatistische Bildideen, häufig von einfacher Gegenständlichkeit, die aber durch die ironisierende Ausarbeitung wieder aufgehoben wird. Mit Materialien geht er frei um, setzt sowohl Bleistift, Acryl als auch Druckertinte ein. Gerald Grünwerth, Wiener, nutzt in seinen fragilen Bildwelten impressionistische und zeichnerische Techniken und deutet Gegenständliches nur an, sodass die Ästhetik der motivisch eher romantischen Bildwelten mehr durch die technische Entwicklung als durch den Gegenstand entsteht.
 
Veronica Indergand, Schweizer Künstlerin, versucht insbesondere dem weiblichen Akt Gesten und Ausdrücke zu entlocken, die den Bildern Gehalt und den Figuren Innerlichkeit geben. Ihre Farben sind häufig streng in ihren Kontrasten, in "Heidnische Hexe" kombiniert sie ungebrochenes Rot mit sehr dunklem Blau und einem sehr hellen, fast weißen Hautton. Bunt und unkompliziert sieht hingegen Michael Jansen den "Zauber der Natur". Die Pattern-Paintings des Hamburger Musikers und Künstlers wurden bereits mit Kunstpreisen ausgezeichnet und sind voller Ironie in ihren gegenständlichen Möglichkeiten. Ähnlich unkompliziert und ironisch-naiv sind die Figuren des Schweizers Renato K aus Zürich. Seine dekorative und poppige Malerei scheint mitunter zum wiederholbaren Muster und alltäglichen Design zu werden - ein künstlerisches Ziel des "Kunst ins Leben" Kreativen.
 
Ähnlich einfach in der Linienführung, aber hoch und her im Stil sind die gegenständlichen Bildwelten von Inka Gisela Kellermann. Menschen und andere Objekte in ihren Bildern passen sich der eleganten Linienführung an und fügen sich in diese, sodass insgesamt ein geschlossener, klassizisischer Stil entsteht. Auch Anick und Damien Lilienthal konturieren ihre einfachen und undeformierten, schönfarbigen Gestalten in deren alltäglichem Leben in der Natur. Dessen Einfachheit findet in der Haltung angemessenen Ausdruck: In der Ruhe der Figuren klingen die karibischen Schönheiten von Gauguin an.
 
Peter S. Koschak aus Slowenien verbindet Gegenständlichkeit und aggressivere Expression. Fast unmerklich für den Betrachter kristallisieren sich aus den farblich differenzierten Pinselstrichen gegenständliche Bezüge heraus, die in ihrer in Expressivität aufgelösten Umgebung mal verloren, mal sicher erscheinen und so auch die Stimmungen des Malers wiedergeben. Der Schweizer Rudolf Lehmann setzt gleich den frontal präsentierten Gesichtsausdruck als Bildmotiv in starken Farben ein. Seine Werke rufen das große Interesse in Erinnerung, das die Expressionisten primitiven Kulturen, insbesondere ihren Tänzen und Masken entgegenbrachten. Die expressive Bildwelt mit starken Kontrasten aus schwarzen Linien und helleren Farbflächen von Johanna Lux zeigt sich ebenfalls davon inspiriert. Hildegarda Rajec aus Bayern verbindet eine expressive Behandlung der Fläche mit den schwarzen Konturen der Expressionisten.
 
Mit der ungewöhnlichen Technik der Acrylcollage setzt Friedhard Meyer aus Nürnberg seine Bildideen um, zumeist menschliche, miteinander verbundene Figuren. Vorder- und Hintergrund sind in Meyers Collagen durch farbliche Differenzierungen klar getrennt. In ähnlicher Weise am Einfachen und Klaren orientiert ist Hansueli Urwyler aus der Schweiz. Die Formen entstehen hier zumeist aus den Farbflächen selbst, seine Bilder von Menschen oder Portraits bekommen dadurch eine sanfte Intensität. An dieser Stelle ist auch die Bildhauerin Christina Wendt zu nennen, die in ihren mehrteiligen Figurengruppen Alltagsszenen verewigt. Die Bildhauerin entwickelt ihr Werk wie eine Regisseurin, sie inszeniert ihre Figurengruppen durch deren charmante Gesten, denen sie fast dokumentarisch auf der Spur ist und die als "Steinzeug" neue Aufmerksamkeit erfahren.
 
Differenziert in der Farbfläche und klassisch in der Technik ihrer Malerei ist Ute A. Thiess, die in ihren aktuellen großformatigen Acrylbildern die Vielfalt der Ausdrucksmöglichkeiten zwischen Abstraktion und Gegenstandsbezug austariert. Mitunter destruiert sie spielerisch realistische Bezüge, indem sie fast automatistisch flüchtige, nervöse Farblinien über die ausgearbeiteten Flächen verteilt. Auch Matthias Neuthinger zeigte in Salzburg Werke, in denen er die Kontuen seiner Figuren durch übergreifende Farbflächen auflöst, und insgesamt Flächen aus Linien entstehen lässt, die gegenständliche Interpretationen zulassen ohne sie zu erzwingen. Karl Hartmann kann man ebenfalls dieser Tendenz zuordnen, aus Fläche und Linie einfache, expressive Bildwelten entstehen zu lassen. Hannelore Schleyer aus Köln geht in ihren häufig monochromen Flächenauffassungen vom Gegenstandbezug und dessen kubistischer Interpretation aus. Diese wird in die Fläche hinein abstrahiert.
 
In sehr intensiver Weise gestaltet Barbara Heyder ihre Farbflächen. Die Farben, die in ihrer Intensität aus dem Bild zu springen scheinen, werden durch banale räumliche Strukturen nur ein wenig zurückgenommen. "Farbe auf Fläche" wird in ihren Bildern selbst zum Gegenstand.
 
Die Japanerin Hiroko Hinoma erzielt eine vergleichbare thematische Wirkung, auch wenn ihre Farbflächen transparent, irisierend und tonal sehr zurückhaltend sind. Im Zwischenraum des Abstrakten und Gegenständlichen sind die Landschaftsbilder von Christa Zeman aus Eisenstadt. Das Bildmotiv bietet sich zur Abstraktion an, Zeman nimmt dieses Angebot sensibel und mitunter überraschend auf.
 
Chris Urbansky aus dem Ruhrgebiet achtet in besonderer Weise auf die ästhetische Gesamtwirkung seiner Bilder. Er wählt das hochwertige Öl statt Acryl und lässt auf sehr großen Formaten wie z.B. 240 x 80 cm bei "Embryo" tiefe Farbräume entstehen. Aus diesen kristallisieren sich gegenständliche Bezüge heraus, die durch die Monumentalität überhöht und aufgewertet werden.
 
Als Repräsentant der ästhetizistischen Gruppe unter den 46 Böhner-Künstlern stellte der in Südfrankreich lebende Künstler Angelo Castelletta seine Werke in Salzburg vor. In Öl auf Leinwand und mittleren Formaten variiert er den Farbauftrag als Motiv. Castelletta experimentiert mit Bürsten, Messern und Federn, erzielt aber immer ein hochgradig komponiertes, durchdachtes und transparentes Gesamtbild.
 
Ohne wirklichen Gegenstandsbezug arbeitet Monika Krautscheid-Bosse. Ihre Farbflächen sind kompromisslos roh, Konturen und Flächenhaftigkeit sind kein Ziel, dem Krautscheid-Bosse ihren prozesshaften Duktus unterordnen würde. Es entstehen wirkungsstarke Bilder, deren innere Struktur von Form, Raum und Farbe wie ein direktes Abbild einer kreativen Emotion wirkt. Die Weite des Kunstspektrums unter den 46 Künstlerinnen und Künstlern der Galerie Böhner wurde auch durch den Vergleich mit Bernhard Ost deutlich. Er "fängt" Emotionen ein, indem er ein realistisches Gitternetz auf einen informellen Entwurf im Hintergrund seines Bildes malt. Surrealistische Innenwelten findet man auch in der Kunst von Andreas Schmudezki aus Kasachstan. Gegenständlich bis hin zur naiven Malerei sind die Bilder von Georg Illek, der in Tuschzeichnungen und Acryl immer wieder sein Heimatland und dessen Menschen portraitiert. Fotorealistisch, aber satirisch und mit fast surrealer Ironie setzt der Künstler Klaus Risse seine Bildwelten in Öl um. Er studierte Kunst an der Universtät Dortmund und unterrichtet nun selbst vorwiegend in Südfrankreich Malerei. Auch Hubert Harry Schwagers Werke interpretieren Konkretes aus der schweizerischen sozialen und natürlichen Umwelt des Züricher Künstlers ironisch und setzen es experimentell in Acryl-Kartonagen um.
 
Das Wörtliche und das Nicht-Wörtliche, der Abbildungscharakter von Kunst, das sind die aktuellen Themen der innovativen Medienkunst von Thomas Klein. Seine Fotocollagen nähern sich verblüffend den expressiven malerischen Techniken, die sie wie Bilder aus einer anderen Welt zu zitieren scheinen und die sich bei der näheren Betrachtung häufig als digital verfremdete Landkarte oder ein anderes, ursprünglich dokumentarisch gedachtes Bild erweisen.


Die Digitaldrucke, Fotografien und Skulpturen von Matthias Mollner nehmen sich mit den "technorganics" der Uminszenierung des Menschen durch neue Medien spielerisch an. Der Künstler verwendet die Medien und Ausdrucksformen aus bildender und darstellender Kunst, Musik und Literatur, die er für seine Inszenierungen benötigt. Es entstehen bewegende Raumwelten. Zu dieser Gruppe der Künstler, die sich der Technik als Grundlage ihrer Arbeiten bedienen, gehört die in Dortmund geborene und in Dessau und Heidelberg lebende und arbeitende Künstlerin ulrike a. widmann, deren Fotos aber ohne Computerbearbeitung auskommen und daher wie gemalt wirken.


Romantisch in seinem Zugang zum darstellenden Prinzip ist Martin Naber. Seine Collagen und Acrylbilder verbinden zeichnerische, lyrische, gegenständlich, expressive und informelle Momente.
 
Um Wahrnehmung und Sehen geht es auch in den Werken von Werner Dorsch. Seine Kunst ist an den visuellen Effekten der Op Art orientiert und verblüfft den Betrachter, entfaltet ihre Wirkungen aber von minimalistisch reduzierten Farbflächen ausgehend.
 
 
Auch eine multimediale Künstlerin, setzt Isabella Moog stilistisch radikal einfache zeichnerische Konturen und experimentelle Acrylmalerei ein. Die auch in Bereich Schauspiel und Tanz aktive Künstlerin aus Schleswig-Holstein treibt ihre Figuren durch die verschiedensten Ausdrucksformen, vom naturalistischen Bild bis zum skizzenhaft expressiven Pinselstrich. Auch die Farbflächen füllen die Konturen nicht aus sondern überlagern und überzeichnen sie.
 
Eva Maria Paar ist schwierig einzuordnen. Die Künstlerin aus Salzburg verwendet zwar das konservative Öl auf Leinwand und malt gegenständlich, setzt ihre Motive aber so um, dass der Eindruck moderner Medientechnik suggeriert und die Ölmalerei einer echten Innovation unterzogen wird. Einige ihrer Werke nähern sich der Pop Art von Roy Lichtenstein, wenn sie auch im Thema viel ernsthafter sind. Andere verdecken ihre eigenen Motivwelten durch flächendeckende Linien, die die Gegenstandskonturen auflösen wie bei einer Spiegelung auf bewegter Wasseroberfläche oder in der starken Vergößerung eines Druckes.


Petra Klinkhardt zählt ebenfalls zu den Malerinnen, die sich mit konservative Technik auseinandersetzen und moderne Bildstrukturen entwickeln. Ihre Ölgemälde kalkulieren in ihren gemusterten Oberflächen Dreidimensionalität ein und sind in verblüffender Weise zugleich suggestiv und konkret.


 
Dr. Ulrike Ritter