Dagmar Rauwald: Schneewittchens Schlaf |
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Sind es in den frühen Arbeiten (bis ca. 1997) einzelne Körperteile mit denen sich der Betrachter konfrontiert sieht, Augen, Zungen oder ganze Köpfe, so verändert sich der Fokus der späteren Arbeiten hin zu den soziologischen Aspekten der menschlichen Gesellschaft: Die Sehnsucht des Menschen nach Geborgenheit, das Thema der Einsamkeit, Machtstrukturen und sexueller Missbrauch bestimmen die Bildthemen. Diese Inhalte finden durch eine gezielte, eigene Farb- und Formikonographie einen Ausdruck, der auch im Werkprozess entstehen kann. Die Farben werden als Gesten sich auflösender und neu findender Gestalten eingesetzt, verdichtet zu Geschichten, gespannt auf den Moment, indem daraus eine neue Idee Gestalt annimmt. Dazu sind in wechselvoller Spannung Schriften eingesetzt. Durch diese Schriftzüge wird einerseits das jeweilige Thema benannt, doch wird andererseits durch eine abstrahierende Formgebung der Malweise und durch die Symbolkraft der Farben diese Eindeutigkeit verwischt. In manchen Arbeiten dominiert die weiße Farbe das Bildgeschehen, aufwändige Werkprozesse werden in die Bildwirkung mit eingeflochten. Jeder Betrachter wird so aufgefordert, selbst Antworten oder Lösungsansätze zu finden. Diese Offenheit der Werke beruht auf dem Wechselspiel einer Malerei die sich in der Schnittstelle von gegenständlicher- bis in abstrahierende Formen aufzeigender Gestaltung bewegt. In dem Thema Schneewittchens Schlaf beschert Freunde finden sich Akzente von traditioneller Kunstrezeption, von psychologischen Ansätzen wie auch einem breiten Facettenspiel von Farb- und Formikonographien. Die Leinwand wird dominiert vom Kopf des schlafenden Schneewittchens, dessen Gesicht in leuchtenden Gelb- und Grüntönen erstrahlt, gerahmt von üppigem, lilanem Haar. Der Zustand des Träumens wird durch die zurückgenommene Augenpartie verdeutlich dem gegenüber ein sehr sinnlicher, leuchtend roter Mund steht. Unschuld und aufkeimende Erotik sind sich gleichermaßen gegenübergestellt. Das Haar wird von sechs grotesk anmutenden, affenartigen Gestalten geordnet und zu einem Zopf geflochten. Im Schlaf wird Schneewittchen von den Affen nicht nur bewacht und liebkost sondern zugleich durch das Flechten des Zopfes, dem Gliedern des magischen Haares, einer Ordnung unterworfen. Aus der Gruppe der Affen hebt sich am oberen Blattrand ein Clownsgesicht hervor, dass durch das Gelb der Gestaltung mit dem Gesicht des Schneewittchens korrespondiert. In der Arbeit von Dagmar Rauwald findet somit eine andere Auflösung als in Goyas Capricho 43 Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer statt. Zwar kann, wie bei Goya, eine Selbstdarstellung der Künstlerin im Werk vermutet werden, doch ist die Unkontrollierbarkeit des Schlafes, nicht von Dämonen, sondern von ordnenden Händen hervorgerufen. Damit wäre ein indirektes Selbstportrait herauszulesen, ein Sinnbild wie die Künstlerin den Umgang mit der Malerei erlebte: In den 90ger Jahren vergiftet, zugleich nicht sterben könnend, nicht tot - ein komatisiertes Bewusstsein, eine Kontroverse - geführt im (Alp-)Traum, die zurück führt ins Leben. Stephanie Gans, M.A
Nächste Ausstellung: Malerei auf Transparentfolie 12. Okt. – 23. Nov. 2007 Kunstverein Siegen ( im Sparkassengebäude, Siegen- Weidenau- Haardter Brücke) |