Kunst als Ausdruck der Seele: Die Frühjahrsausstellung der Galerie Böhner in der Mallau

“Bildende Kunst” die Gattung, in die das gemalte Bild und die Skulptur ebenso gehört wie die Collage, die Graphik und die Videoinstallation, gibt die vermeintlich wahrnehmbare Wirklichkeit nicht in einem fotografischen Sinne wieder. Sie lässt vielmehr die Subjektivität des Künstlers zu einer festen Gestalt werden. Diese Subjektivität ist nicht zu verwechseln mit Willkür. Starke Gefühle sind die Grundlage, die einen Menschen zu einem Künstler machen. Gefühle sind also letztendlich der Antrieb, aus dem ein Kunstwerk entsteht. Ein Antrieb, der im vollendeten Werk spürbar bleibt.

Begrüßung

Dr. Claus-Peter Böhner-Fery (ganz rechts) begrüßt die Gäste zur Vernissage

Kunstwerke, gleich welcher Art, offenbaren dem Betrachter auf jeden Fall mehr als nur den oberflächlichen Schein auf der Ebene der Wahrnehmung. Deshalb ist ein Kunstwerk Ausdruck der Seele. Und da die Seele immer auch einen Teil der Welt um sie herum in

sich trägt, ist das Kunstwerk das Zeugnis einer spezifischen Weltsicht, der nur der Künstler mit seiner speziellen Begabung, eine materielle Form verleihen kann.

Diese Einleitung mag sich vielleicht etwas theoretisch anhören, ist aber hilfreich, um moderne Kunst zu verstehen.

Alle Arbeiten, die die Galerie Böhner in ihrer Frühjahrsausstellung hier im Bechtle IT Systemhaus präsentiert, funktionieren nämlich unter dieser Prämisse. Jede/jeder der neun hier ausstellenden Künstlerinnen und  Künstler hat einen ganz persönlichen Ausdruck gefunden.

Am deutlichsten wird die Unterschiedlichkeit dieser Persönlichkeiten durch die Gegenüberstellung der beiden Malerinnen, die den Anfangspunkt und den Endpunkt dieser Ausstellung bilden: Annemarie Rudolph und Kornelia Veen-Aldenrath.  Beide behandeln in einer jeweils sehr personlichen Weise das Thema “Natur”. Beiden ist Natur in einer jeweils sehr persönlichen Art und Weise das Universum schlechthin.

 

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Annemarie Rudolph verwendet nicht nur Naturmaterialen wie verschiedene Sandarten aus unterschiedlichen Weltgegenden, die sie unter ihre Farben mischt, sie gibt dem Betrachter auch den

Eindruck einer brodelnden Urmaterie, aus der sich noch keine separaten Formen herausentwickelt haben.

Erde, Feuer, Wasser und Luft, die Erdgeister im Sinne Goethes, wirken hier noch unmittelbar aufeinander ein. Man glaubt hier Einkerbungen, Risse und Krusten wahrzunehmen, die sich in unablässiger Folge auflösen und wieder neu konstituieren. Bilder wie diese entstehen nicht in einem Wurf, sondern entwickeln sich über einen langen Weg aus dem Malprozess heraus. Immer wieder wird dieser Prozess neu in Angriff genommen, neue Oberflächen gehen mit den bereits vorhandenen Strukturen eine Synthese ein. Durch diese Vielschichtigkeit entsteht eine erstaunliche Tiefe. Die Risse und Linie lassen sich dabei sehr gut als graphische Strukturen deuten, welche die geheimnisvolle Wirkung des Bildes zusätzlich steigern.

 

Geradezu den Gegenpol zu den vorwiegend erdigen Tönen von Annemarie Rudolph bilden die stark farbigen Arbeiten Kornelia Veen-Aldenraths. Hierbei handelt es sich um Ideallandschaften. Die Berge, das Meer, das Schloss Neuschwanstein. Schöner noch als es die Touristenpostkarten präsentieren, werden die Motive  von der  Künstlerin gestaltet und zwar im Stil der bunten Bastelbogen aus der Kinderzeit. In manchen Bildern erstaunt die harmonische Ausgewogenheit von Natur und Architektur. Kornelia Veen-Aldenrath hat hier die Ikonographie einer idealen Welt entworfen, in der alles passt. Augenblicke des Innehaltens, wie auf dem Bild mit .

Kornelia Veen-Aldenraths

dem Wasserfall, vor dem die Rückenansicht einer Frau zu sehen ist (Caspar David Friedrich lässt grüßen). Vor der Sitzenden erhebt sich eine Alpenlandschaft, in der alles stimmig ist. Alles hat seinen Sinn, seine Bedeutung.

Stilistisch rechnet sich Kornelia Veen-Aldenrath dem Phantastischen Realismus zu, wie er in den 60er Jahren in Wien entstand und für den Namen wie Ernst Fuchs und Aric Brauer stehen. Sie verweist den Betrachter häufig auf eine Welt hinter der uns bekannten Welt. Besonders deutlich wird dies in einer Darstellung, in der sie eine Aquariumperspektive mit dem Blick auf das offene Meer verbindet. Aus vielen ihrer Bilder leuchtet ein geheimnisvolles Licht von innen heraus und bricht sich in den zahlreichen Gegenständen und Details, die ihre Bilder bevölkern, Bahn.

Jürgen Friedrich

Im Gegensatz zu Kornelia Veen-Aldenrath geht es Jürgen Friedrich nicht um den Makro-, sondern vielmehr um den Mikrokosmos. Seine Bilder wirken als würde der Betrachter hier eine geheimnisvolle Natur unter dem Mikroskop erkennen. Durch die Gitternetze des Lebens lassen sich die Triebkräfte erahnen, die den Möglichkeiten des menschlichen Auges verborgen bleiben. .

Dieser Eindruck wird verstärkt, wenn man längere Zeit auf die Arbeiten des Künstlers schaut. Man meint die permanente Bewegung, in der sich das noch gestaltlose Leben befindet, zu erahnen. Vor allem die Zwischenräume zwischen den Gittern, durch denen es hell hindurch scheint, laden den Eindruck mit Spannung auf und verleihen dadurch dem Bild eine ganz besondere Ausdruckskraft.

Die beiden großen unterschiedlichen Ebenen, die es in den Arbeiten von W. Otto Gerberzahn gibt, scheinen dagegen psychischer Natur. Seine Arbeiten haben in der Regel zwei grundverschiedene Ebenen. Die Eine ist die herkömmliche Alltagswelt, in der sich der Mensch aufgehoben und geborgen fühlt. Aber diese Welt ist brüchig und zerbrechlich. Den schweren Erschütterungen des Lebens hält sie bisweilen nicht stand. Unerwartetes, Unfassbares, das plötzlich in diese Sphäre eindringt, kann jenen Ort in Sekundenschnelle unbewohnbar machen. Wie eine Art Vorhang ist die Grenze zwischen den beiden Sphären markiert. Ein Vorhang, der große Risse und Löcher aufweist, durch die wir Verstörendes und Befremdendes erahnen. Dass ein Mensch aus sehr unterschiedlichen, bisweilen bizarr gegensätzlichen Teilen bestehen kann, macht Gerberzahn mit seinem Bild “Der Wächter” deutlich. Hier chanchieren auch die Malweisen zwischen realistisch und informell bzw. abstrakt. Durch die schleierhaft vorbeitanzenden Traumfiguren hindurch erkennt der Betrachter ein geschlossenes Fenster, das auf ein Außen verweist. Was würde sich dem Blick hinter diesem Fenster darbieten? Packende Themen werden hier kompromisslos ausgearbeitet, Themen, die tief ins Unbewusste reichen und aufwühlen.

W. Otto Geberzahn

Die Arbeiten von Linde Ross im ersten Obergeschoss der Galerie lenken den Blick wieder auf einen ganz anderen Aspekt der Malerei, nämlich auf den der konzeptionellen Bilderarbeitung, die hier systematisch betrieben wird. Zarte, fast filigrane Skizzen zeigen wie Formen systematisch erarbeitet werden. Formen, die sich später zu einem komplexen Bild zusammenfügen.  Die Etappen, die zu diesem Bild führen, sind an sich schon eindrucksvoll genug, zeigen sie doch, welches außerordentliche Gespür die Künstlerin für die Rhythmen und Formen hat, die hier gewissermaßen in destilliertem Charakter erscheinen. Sie wählt transparenten Nesselstoff, um sich und somit ihren Betrachtern die Bildwirkung unterschiedlicher Ebenen aufeinander bewusst zu machen und den mühsamen Weg von der zweiten zur dritten Dimension zu beschreiben. Aber nicht nur als Studien im Bezug auf das spätere Werk, sondern auch als Einzelarbeiten oder als Ensemble entfalten diese zarten Arbeiten eine besondere Anziehungskraft. Sie zeigen etwas von der Kunst des Weglassens, offenbaren, dass sich das Werk aus der Wechselbeziehung zwischen der bearbeiteten und der unbearbeiteten Fläche entwickelt.

Linde Ross

Ihr Wandnachbar, David Kastner aus den USA, treibt Studien der anderen Art. Sein Thema ist das Licht, dem er in seinen Arbeiten eine geradezu architektonische Festigkeit verleiht. Das in sich geschachtelte, vielfältig gebrochene Licht, dass er mit der Kamera einfängt, lässt immer wieder neue Raumerfahrungen zu und bietet überraschende Perspektiven.  Kastner druckt solche Lichtimpressionen auf Aluminiumplatten, die das Raumlicht reflektieren. Auf diese Weise entsteht eine Synthese zwischen den zeitlich weit auseinanderliegenden Lichteindrücken. Sehr bewusst reflektiert der Künstler solche Wechselbeziehungen und baut diese Erkenntnisse in die Weiterentwicklung seines Werkes ein. Seiner über dreißig Jahre andauernden künstlerischen Karriere ist auf diese Weise ein sehr vielschichtiges Oeuvre entstanden, das alle Gattungen der Kunst, nicht nur die Fotografie, sondern auch die Malerei, die Skulptur und das Objekt umfasst. In vielen seiner Werke spielen solche Wechselbeziehungen, wie sie bei den hier ausgestellten Fotografien so anschaulich inszeniert sind, eine besondere Rolle.

David Kastner
Simone Zinn

Auch bei Simone Zinn, deren Arbeiten hier im Erdgeschoss zu sehen sind, ist das Raumlicht für die Entstehung des Bilderlebnisses von entscheidender Bedeutung. Der Bildgegenstand ist hier nur der Vorwand. Viel wesentlicher ist die mosaikartige, aus vielen unterschiedlichen

Spiegelglasflächen zusammengesetzte Figur. Die Kanten der einzelnen Elemente sind auf eine besondere Weise geschliffen, sodass sich ganz unterschiedliche Brechungswinkel ergeben. Die Grundfläche, auf der das Objekt befestigt ist, ist monochrom und wird durch einen ebenfalls reflektierenden Alurahmen von der Wandfläche abgegrenzt. Bilder wie diese hellen den Raum auf und setzen Akzente. Sie verändern je nach Lichtsituation die Umgebung und stechen besonders durch die Vielfalt der eingesetzten Materialien hervor wie Putz, Farbe, Spiegelglas, Holz, Metall und dergleichen mehr. Deren Einsatz und Bearbeitung setzt reichhaltige Erfahrung voraus sowohl in ästhetischer als auch in kunsthandwerklicher Hinsicht.

Roland Menten
Roland Menten

Der belgische Künstler Roland Menten setzt durch seine Kunst nicht nur humoristische Akzente, wie er auf seiner Webseite behauptet. Die fetten Weinbergschnecken, welche er

auf Kuben, Kugeln und Steinquadern drapiert, verblüffen durch den geschickt inszenierten Bewegungsablauf, der die Schnecken lebendig erscheinen lässt. Die geometrischen Formen der Sockel wurden offensichtlich

gewählt, um zu zeigen, wie elastisch und anpassungsfähig Schneckenkörper sind.  Das Material, aus dem die Schnecken gegossen wurden, Polyresin, ist ein Kunstharz, der transparent wirkt und auf diese Weise dem Schleimeffekt des Schneckenkörpers optimal entspricht. Auch macht es durch seine Weichheit den Gegensatz zur Härte des Steins deutlich. Grundlagen von Roland Mentens  Arbeiten bilden genaue Beobachtungen jener Bewegungsabläufe. Um dieses Wunder der Natur noch deutlicher werden zu lassen, hat Menten die Schnecken maßstabsgerecht vergrößert. Auch Roland Menten überzeugt ähnlich wie Simone Zinn durch den Einsatz verschiedenster Materialien wie Harz, Farbe, Stein und auch Bronze.

 

Josef Weidner schließlich, ebenfalls hier im Erdgeschoss vertreten, zeigt unterschiedliche Arbeiten. Der Künstler zeigt sowohl Malerei als auch bearbeitete Drucke. Sein Sujet ist zweifelsfrei die Abstraktion, die sich jedoch in der Malerei oft durch den Malprozess mehr und mehr zu erahnbaren Formen konkretisiert. Dies belegt, dass für ihn Stil kein Dogma ist. Der Reiz entwickelt sich aus der Komposition, die er mit sehr viel Phantasie entwickelt. Dabei entstehen bizarre Formen, die an die chinesischen Figurentheater erinnern. Die großen Binnenflächen sind mit filigranen Mustern aufgelockert, Entscheidungen, die den Reiz dieser Arbeiten zusätzlich steigern. Josef Weidner experimentiert mit Formen und Farben, das macht sein bisheriges Werk so vielfältig und sorgt bei dem Betrachter immer wieder für Überraschungen. Keine Präsentation ist wie die andere und so

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dürfen wir schon jetzt gespannt sein, was noch folgen wird.

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Eine interessante Auswahl erwartet uns  also  hier in den großzügigen Räumlichkeiten der Galerie Böhner. Natürlich können an dieser Stelle nur spezifische Aspekte zu den einzelnen Arbeiten herausgegriffen werden. Es gäbe über jeden Einzelnen noch viel mehr zu sagen. Die Interpretation dieser Arbeiten bleibt natürliche jedem einzelnen Kunstfreund selbst überlassen.

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Text: Peter Burgas & Dr. Helmut Orpel
Fotos: Gerold Maier

 

Die Ausstellung dauert bis zum 10. September 2010

Öffnungszeiten: Mo-Fr 9-17 Uhr sowie nach Vereinbarung

Galerie Böhner im Bechtle IT-Systemhaus Mannheim,
Besselstrasse 20-22, D-68219 Mannheim
 

Galerie Böhner, G7/7, D-68159 Mannheim
fon/fax 0049 (0) 621/1566570

www.galerie-boehner.de, www.kunst-spektrum.de


Video von der Vernissage am 23. April 2010

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