Josef Weidners Bilderwelt: eine Vielfalt bizarrer Strukturen 


«Wo große Kräfte reifen und in ihrer höchsten Gewalt sich äußern, da sind die Zeiten der Kunst.» Dieser Satz des Kunstschriftstellers Wilhelm Heinse ist für den in Mühlheim lebenden Künstler und in Neu-Isenburg tätigen Stadtplaner Josef Weidner in dreifacher Weise gültig: Es sind für Weidner die Kräfte des «inneren künstlerischen Drangs» zur Kunstausübung; es sind die Kräfte, die dafür «investiert» werden müssen, und die Kräfte schließlich, die «im schöpferischen Prozess freigesetzt» werden. Es erstaunt nicht, dass Weidner die künstlerische Maxime des «Sturm und Drang» als Titel für seine Selbstdarstellung im Internet ausgewählt hat: Mit ihrem Protest gegen die absolute Herrschaft der Vernunft und ihrer Betonung der Gefühlswelt entspricht sie in hohem Maße Weidners Kunstverständnis.

 

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Fantastische Welten

Die von Weidner als «surreale Abstraktion und zugleich abstrakter Surrealismus» charakterisierten Gemälde präsentieren dem Betrachter eine bizarre, häufig auf dunklem Untergrund platzierte Vielfalt geometrischer und organischer Strukturen. Weidner vermeidet die Gegenständlichkeit des klassischen Surrealismus – und verleiht abstrakten Kompositionselementen durch formale Bezüge zu Organik und Geometrie eine ausgeprägt surreale Anmutung. Elemente fantastischer Welten kristallisieren sich dabei als ein formales Leitmotiv heraus – dies gilt für die mit Öl- und Acrylfarbe gemalten, anschließend mit Kreiden, Tusche, Bleistift oder Silberstift überzeichneten Werke ebenso wie für die präzise gezeichneten Albtraumphänomene. Weidners Werken eigen ist fast durchgehend eine verstörende Anziehungskraft, die beim Betrachter durchaus beunruhigende Emotionen hervorruft. Diese Wirkung seiner Gemälde und Zeichnungen ist dabei umso stärker ausgeprägt, je mehr Weidner auf vordergründige Botschaften verzichtet und sich auf eine strenge Komposition der Bildinhalte und sparsame Verwendung der formalen Elemente konzentriert. Erkennbar werden die Anstöße,

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die Weidner etwa von den Malern und Zeichnern Franz Marc, Horst Janssen und Gerhard Richter empfangen hat. Noch mehr aber drängt sich Max Ernst auf, an dessen künstlerische Bewältigung des Unbewussten Weidners Schaffen vor allem erinnert.
 

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Gegenpol Stadtplanung


In Gegenpol zur abstrakten Kunstwelt bildet für den 1958 im oberpfälzischen Neustadt an der Waldnaab geborenen Künstler die hauptberufliche Tätigkeit des kommunalen Stadtplaners: Im Fachbereich Stadtplanung der Neu-Isenburger Stadtverwaltung beschäftigt sich der Diplom-Ingenieur mit Fragen städtischer Bau- und Planungspolitik. Allerdings war von Kindheit an die Neigung zur Kunst stärker ausgeprägt: Der Grundschüler blätterte früh in den Kunstbüchern des als Kunstmaler und Restaurateur tätigen Großvaters – und startete die ersten Malversuche. Kunstkurse an der Volkshochschule sorgten für eine künstlerische Basis, die durch zwei USA-Aufenthalte im Zuge eines Schüleraustauschs erweitert wurde.
«Was ich als kunstinteressierter Schüler in den Museen etwa von Washington und New York an beeindruckenden Beispielen moderner und klassischer Kunst kennenlernen durfte, hat mich doch nachhaltig geprägt», sagt Weidner. Nicht zuletzt der Rat des Vaters – eines Bauunternehmers – veranlasste Weidner, Architektur mit dem Schwerpunkt der Stadtplanung zu studieren. «Ich musste mich pragmatisch für einen Beruf entscheiden, mit dem auch eine Familie ernährt werden kann.» Nach Etappen in Architekturbüros und einem Intermezzo im Stadtplanungsamt der Stadt Freising ist Weidner seit 1992 mit der Isenburger Stadtplanung befasst – für ihn eine «Gegenwelt» ohne unmittelbaren Bezug zur künstlerischen Arbeit. Sie wurde von Weidner nach einer längeren Phase politischen Engagements erst im Jahr 2000 wieder aufgenommen.

 

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Langsame Annäherung


jw5Damals entschied sich Weidner nach einer gesundheitlichen Krise, seinen Einsatz «herunterzufahren», der Familie mehr Zeit einzuräumen und sich «langsam wieder der Kunst anzunähern». Der Besuch der Frankfurter Kunstschule Irene Schuh, vor allem aber mehrere Kurse im Atelier Karen Robert-Pitts in Neu-Isenburg und in der Frankfurter Städelschule führten zu einer schulisch-künstlerischen Weiterentwicklung. Deren Ergebnisse hat Weidner der Öffentlichkeit seit 2001 in Ausstellungen etwa in Mühlheim, Dietzenbach, Berlin und zuletzt bei der 11. Internationalen Kunstmesse in Salzburg präsentiert.
 
Für das Jahr 2010 ist bereits eine fünfmonatige Ausstellung in einer Mannheimer Galerie vorgesehen; in diesem Jahr liegen Anfragen aus Freiburg, Mannheim, Berlin, Florenz, Innsbruck und Graz vor. Zur künstlerischen Selbstdarstellung gehört für Josef Weidner immer auch die Notwendigkeit der Selbstschulung: Man müsse sich in verschiedenen Techniken «immer wieder üben», die aktuelle Kunstszene verfolgen – und zur Anregung wie zur Belehrung bedeutende Ausstellungen besuchen.

Autor: Manfred Wirbals