Vielfalt und eigenständige Positionen: die Herbstausstellung der Galerie Böhner im Signal-Iduna-Haus am Mannheimer Hauptbahnhof 

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 â€žVirtuelle Welt“ lautet der Titel eines Zyklus´von Refki Gollopeni, einem Künstler, der aus dem Kosovo kommt und der sich auf sehr anschauliche Weise mit dem Gegensatz von Rationalität und Sinnlichkeit auseinandersetzt. Sehr philosophisch muten diese Kompositionen an. Hinter informell fließenden Farben erscheinen

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geometrische Konstruktionen, die so wirken, als wolle der Künstler anschaulich machen, dass die Natur in ihrem unerschöpflichen Formen- und Farbenreichtum den abstrakten Begriffen unseres Verstandes entzogen ist.

Unerschöpflich wie die Formen der Natur sind auch die der Kunst und von einem kleinen Ausschnitt aus diesem breiten Spektrum können Sie sich heute hier überzeugen.DSC_0615

Bilder wie die von Gollopeni sprechen emotional an. Einen weiteren Zyklus dieses Künstlers finden sie in der unteren Etage. Hier können sie den sensiblen Übergang der Zeichnung, In diesem Falle von kraftvollen Stieren, in die Farbe bewundern.

Gollopeni zeigt eine universelle Kunst, wie sie überall rund um den Globus entsteht. Dennoch ist in seinem speziellen Falle auch die Herkunft des Künstlers von Interesse, denn wer weiß schon etwas über das Kosovo, das seit knapp 3 Jahren ein selbständiger Staat ist? Gollopeni hat in Prishdina eine akademische Ausbildung genossen und schon in zahlreichen Galerien ausgestellt. Aber zurück zum Ausgangspunkt:

Kunst und virtuelle Welt – diese Frage, wie sie in dem erwähnten Zyklus mitschwingt, findet sich häufig auf die eine oder andere Weise hier in der Ausstellung  dargestellt, denn wie in keiner anderen Zeit sind die Möglichkeiten des Mediengebrauchs heute grenzenlos.

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Einen herausragenden Befürworter der Computernutzung finden Sie in Karl-Heinz Kalbhenn, der ornamentale Systeme entwickelt und komplexe Strukturen aneinanderreiht. Achten Sie bitte dabei auch auf die Ränder, die bei manchen Arbeiten abgerundet erscheinen, was einen besonderen Effekt verursacht. Trompe-l`eaux, zu Deutsch „Augentäuschung“, wie sie hier durchdekliniert wird, gab es bereits in der Barockzeit. Bei Kalbhenn erscheint das Trompe-l´œil allerdings futuristisch umgesetzt.

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In dieser Ausstellung fasziniert natürlich vor allem die Vielfalt. In jedem Künstler finden Sie hier eine eigenständige Position, die die volle Aufmerksamkeit des Betrachters verlangt. Aber gerade diese Vielfalt scheint an manchen Stellen die Besonderheit der

einzelnen Werkgruppe zu überlagern. Deshalb sollten Sie sich schon etwas Zeit nehmen und die einzelnen Bildwerke aufmerksam betrachten. Achten Sie dabei ruhig auch auf die Technik.

DSC_0598Bei Emma Musoma Weng zum Beispiel handelt es sich um eine gekonnte Mischung aus Materialcollage und Malerei. Mit sensiblem Gespür nützt sie industriell gefertigte Materialien wie geriffeltes Plexiglas als Träger, auf dem sie leuchtende Farbe pastos aufträgt, sodass die Malerei wie ein Relief wirkt. Stellenweise kommt bei ihren Arbeiten auch Blattgold und Schlagmetall zum Einsatz. Durch diese unterschiedliche Struktur entstehen Reflexionseffekte, die die Bildwirkung steigern.

Formal orientiert sich die Künstlerin dabei an den Konstruktivisten der zwanziger Jahre. Kraftvoll und dynamisch, nicht zuletzt durch die Lichteffekte gesteigert, wirken ihre Kompositionen.

DSC_0634Marlis G. Schill vertritt ebenfalls die Position der Abstrakten hier im Haus. Sie arbeitet mit unterschiedlichen Flächen, die sich überlagern oder durch deren Lasuren man in eine besondere Tiefe hineinsehen kann. Die Kunst entsteht dabei im Auge des Betrachters, der seine eigenen Vorstellungen entwickeln kann.

Marianne de Jong geht es um die Auflösung von Formen, verschachtelte Raumsituationen in ihren Bildern, die sich erst nach und nach entschlüsseln.

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Eine Zwischenstellung zwischen Abstraktion und Informel nimmt dagegen Heidrun Edsperger ein. In den monochromen Farbfeldern, die sie mit dem Spachtel bearbeitet, lassen sich Strukturen erahnen, die geheimnisvoll und rätselhaft wirken. Der lasierende Farbauftrag gibt den Bildern eine Tiefe, die der Betrachter erst nach und nach realisiert. 

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Gabriela Presslgeht es in ihren expressiven Darstellungen um die Urkraft der Natur. Im Laufe des Malprozesse verfremden sich die

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teilweise pastos aufgetragenen Farben und es entstehen mehr und mehr Innere Bilder, in der der subjektive Aspekt zur Geltung kommt.

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Sylvie Bruneau steht zwischen den beiden zuletzt genannten Künstlerinnen, denn sie ist weder eindeutig abstrakt noch figurativ, sondern scheint diese beiden Extreme in ihrem Werk miteinander zu verbinden. Lodernde, unruhige Farben entfalten sich vorm Auge des Betrachters, die in ihrem Feuer die Figuren aufzulösen scheinen, die da und dort noch als Silhoutte hervorscheinen.

Eva Schniedertüns Gornik und Hermann Brudke geht es offenbar um Farbräume, wobei jeder dieser beiden einen eigenen Zugang zu diesem komplexen Thema gefunden hat. Hermann Brudke erreicht dies durch Ãœbermalungen, die den Blick verstellen und den Betrachter gleichzeigt neugierig machen, was wohl hinter dem undurchdringlichen Farbfeld steckt.

Eva Schniedertün Gornik, die auch Autorin und Performancekünstlerin ist, beschreibt in einem Gedicht den Weg, den sie in ihren Bildern gehen möchte:

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„Licht und Farbe –

Farbe und Raum

Raum und Bewegung

Bewegung und Ausdruck

Ausdruck und Wahrnehmung”

Treffender kann man den Weg, der zwischen Künstler und Betrachter zu gehen ist, eigentlich nicht zum Ausdruck bringen, denn der Raum, den ein Bild für sich in Anspruch nimmt, ist letztendlich die Fantasie des Betrachters und die Größe dieses Raumes, machen wir uns nichts vor, geht gegen Unendlich.

Miranda C. Penning arbeitet mit dem klassischen Holzschnitt und geht dabei sehr zeichnerisch zu Werke. Ihre Arbeiten nehmen den Geist von Kinderbuchillustrationen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts auf. Entsprechend narrativ ist auch ihr Inhalt. Fabelwesen wie der Pegasus oder der Drache. Alles allerdings in einem eigenen Stil, in einer persönlichen Handschrift,  wobei wieder das Künstlerische überwiegt.

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DSC_0575Zwei Fotografen stechen in dieser Ausstellung hervor, wobei gerade neue Formen der Präsentationstechnik auch bei der Fotografie tolle Effekte möglich machen. Die Entwicklung der Digitaltechnik und der Bildbearbeitung haben hier unbegrenzte Möglichkeiten eröffet. Die Diskussion, ob nun Fotografie Kunst sei, ist schon lange entschieden. Spätestens seit Andreas Gursky oder Candida Höfer auf internationalen Kunstmessen Spitzenpreise erzielen traut sich niemand mehr, diese Frage überhaupt zu stellen.

Die beiden Fotografen, die hier in der Ausstellung vertreten sind, nämlich Katja Koevoet und Ben Christiani, orientieren sich voll und ganz an den aktuellsten Positionen der Fotografie.

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Katja Koevoet, hier im Eingangsbereich, reduziert ihre Arbeiten mehr und mehr auf Lichtmalereien. Ihr Trägermaterial, DiBondplatten, trägt durch seine Oberfläche zur magischen Wirkung dieser, die sie hier sehen, Impressionen bei. Die glatte, reflektierende Fläche verstärkt die Wirkung der Töne und steigert deren Effekt sowohl bei den blassen, nebelhaften blauen Farben als auch bei den kräftig leuchtenden Rotkontrasten.

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Ben Christiani arbeitet auf eine

andere Weise mit dem Medium Fotografie und bearbeitet die Aufnahmen am Computer, wo er den Gesamteindruck aus unterschiedlichen Teilaspekten erst eneriert. Er scheint sich

dabei an tradierten Bildformen zu orientieren, wie wir sie in gotischen Kathedralen finden, wie zum Beispiel im Kölner Dom, woher auch die Heiligen stammen, die Christiani so organisch in sein Werk einarbeitet. Es geht ihm offenbar um Natur, Vergänglichkeit und die immer wieder neu erwachende Lebenskraft. Der angeschnittene Laib Brot könnte auf die Eucharistiefeier hindeuten und somit den spirituellen Charakter der Darstellung unterstreichen. Aber wie eingangs schon gesagt – man sollte sich Hineinsehen in diese Bilder und einige Künstlerinnen und Künstler, mit denen man über den Inhalt der jeweiligen Arbeiten sprechen kann, sind ja hier.

Auch Mariem Absalon bezieht solche surreale Momente in ihr Schaffen ein, allerdings hier wieder als Malerin. Magisch realistisch könnte man ihre Malerei wohl nennen, denn sie sucht das Geheimnis in dem, was man eigentlich sieht, in den Birkenstämmen im Wald oder in den Spiegelungen der Sterne im Wasser.

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Diesem Surrealen in der Welt setzen Kerstin Wiessner und Barbara Heyder das Geheimnis im Menschen entgegen. Bei beiden liegt dieses Geheimnis in den Porträts von Frauen; bei Kerstin Wiessner oft in unbeobachteten besinnlichen Momenten, wie bei dem Portrait von Marilyn Monroe, dem eine Fotoserie zugrunde liegt, bei der Marilyn einem

Fotografen sehr persönliche Einblicke in ihr Leben bot. Situative Momentaufnahmen, die Kerstin Wiessner selbst fotografiert hat, dienen bei anderen Darstellungen als Vorlage für die Umsetzung in Malerei.

Bei Barbara Heyder spiegeln sich unterschiedliche kulturelle Prägungen in den Gesichtern ihrer Protagonistinnen, die sich stolz und erhaben zeigen und ihr Schicksal meistern. Daneben ist die Künstlerin auch mit farbenfrohen, kleinformatigen Landschaften vertreten, die Anlehnung an den Kubismus finden. Für beide Künstlerinnen ist ihr Thema eine Botschaft mit interkulturellem Gehalt.

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Text: Dr. Helmut Orpel

Fotos: Gerold Maier & Dr. Claus-Peter Böhner-Fery

Die Ausstellung dauert bis zum 10. Februar 2014

Öffnungszeiten:

Mo-Fr 9-17 Uhr sowie nach Vereinbarung

 

Ausstellungsraum:

Galerie Böhner

im Signal Iduna Business Tower

Willy-Brandt-Platz 5, 2.OG

D-68161 Mannheim

 

Galerie Böhner

Gerold Maier Marketing

G 7, 7

D-68159 Mannheim

fon/fax: 0049 (0) 621 - 1566570

mobil: 0049 (0) 177 400 6 222

 

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