Ulrich Wössner

Holzart & Objektkunst: Im Blick der Dinge – die Dinge im Blick

Ulrich Wössner, geboren 1953 in Weil am Rhein / Haltingen, studierte Vergleichende Religionswissenschaften, Ethnologie und Germanistik mit dem Abschluss M.A. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. Neben seiner Erwerbstätigkeit im Jugendhilfebereich erwarb er außerdem ein Diplom zur Psychologie C.G. Jungs und die Befähigung zur psychologischen Beratung.

Seine Kreativität zeigte sich zunächst in wissenschaftlichen Arbeiten, die seinen schöpferischen Impulsen mit der Zeit aber nicht mehr genügten. So entstanden auch Gedichte, die bisher in zwei Lyrikbänden veröffentlicht wurden (2006 und 2011, Karin Fischer Verlag Aachen), wobei der zweite Band Abbildungen von Arbeiten seiner Objektkunst enthält, zu der er vor ca. 20 Jahren Zugang gefunden hat.

Die Objektkunst ist eine künstlerische Ausdrucksform, die sich im 20. Jahrhundert neben neuen figurativen und postimpressionistischen Tendenzen als Antithese oder im Gegenzug zur Abstraktion, zur gegenstandslosen Kunst als gegenständlichste aller gegenständlichen Künste entwickelte. Einen frühen Höhepunkt erreichte die Objektkunst in den Werken und im Wirken von Marcel Duchamp, der simple Gegenstände des Alltags in den Rang von Kunstwerken erhob, von ihm „Ready-mades“ genannt.

Es ist dabei aber nicht so, dass Wössner Arbeiten im Stile der Protagonisten der Objektkunst produziert hat. Er steht zwar damit schon, wie die Kunsthistorikerin Dr. Ann-Katrin Günzel (Köln) zu seinen Arbeiten schreibt, „in der Tradition einer künstlerischen Strategie, die vom objet trouvé und der Collage der klassischen Avantgarden bis zum found footage in der aktuellen Medienkunst reicht.“ Er nimmt aber „keinen direkten Bezug auf diese Tendenzen, sondern zeigt stattdessen einen ganz eigenen, authentischen Umgang mit dem Material …“ (s. homepage).

Die Quelle seines Schaffens ist nicht eine Theorie; es ist vielmehr ein fasziniert Sein von Gegenständen und Materialien, von ihren Formen und Oberflächen, vor allem aber von ihrer Kraft, Assoziationen zu initiieren; diese können einerseits einen bewussten gestalterischen Prozess provozieren, welcher einen Bruch mit der vertrauten Bedeutung der Dinge und ihres ‚Sitzes im Leben’ nach sich zieht. Zum anderen kann auf Grund einer Assoziation jedes Ding durch die Wahl und Anordnung des Künstlers den Wert oder Rang eines Kunstwerkes erlangen, ohne dass es ergänzt oder bearbeitet wird.

Vielfach arbeitet er dabei mit Materialien, vorwiegend mit Hölzern, die als weiterhin nutzlos übrig geblieben sind, gleichsam ‚verworfen‘ oder ‚abfällig’ zurückgelassen wurden oder mit Gegenständen und Materialien, die ihm anderweitig begegnen, ihn ‚ansprechen‘ oder ‚anblicken‘, ohne dass er sie gesucht oder anvisiert hätte, und die in ihm Ideen aufsteigen lassen; in solchen Arbeiten spielt der Zu-fall und spontane Ein-fall und natürlich das Ding selbst eine bedeutende Rolle, welche die Ausarbeitung des Werkes entscheidend mitbestimmen. Es ist Wössner so auch ein Bedürfnis, Gedanken, Themen, Phantasien konkret werden zu lassen, in die Realität und zur An-schauung oder An-sicht zu bringen oder umgekehrt Gegenständen – sie in seinen Blick nehmend – einen anderen, evtl. unerwarteten Ausdruck zu ermöglichen.

Die Hinwendung zum Alltagsgegenstand und die Freude am Fundstück, dem viel zitierten „objet trouve“, finden in vielen Werken Ulrich Wössners ihren Ausdruck, eindrucksvoll z. Bsp. in den fünf alten Akazienpfählen aus den heimischen Rebbergen, die er im Jahre 2011 in den Adel der formal musealen Präsentation erhob. Zu einer Projektgruppe werden diese gealterten schlanken Hölzer durch eine aufwendige Inszenierung. Der Künstler hat sie auf bzw. vor farbige Postamente montiert.

Rebenpfähle

Eindrucksvoll ersichtlich behandelt der Künstler die „Rebenpfähle“ nicht als Rebenpfähle. Er geht mit ihnen um, als wären sie gestaltete Skulpturen aus Bronze, Marmor oder Terrakotta. Nur konsequent ist deshalb der nächste Schritt, mit dem Wössner die nobilitierten Pfähle im Reich der Mythologie verortet: er erklärt sie zu ‚Olympiern‘. Der Titel dieser Installation heißt: „5 Olympier: Zeus, Hera, Aphrodite, Hephaistos, Ares“. So in den Rang von Göttern erhoben, kann man die Pfähle durchaus zugleich auch als das verstehen, wogegen sie in der Tradition der Objektkunst argumentieren: als Abstraktion; das Ensemble erhält so auch einen schillernden Charakter.

Die Rolle der Titel, in denen auch Wössners Freude am Spiel mit der Sprache zum Ausdruck kommt, verdeutlicht fein ebenso eine andere Arbeit, die schon im Jahre 2003 entstanden ist. Es handelt sich um eine Kompilation von Holz-Klötzen zu einem quadratischen Relief, dessen optische Mitte eine rote Fläche bildet, die ein amorphes Stirnholzscheibchen trägt. Prominent im unteren rechten Viertel thront ein weiteres optisches Highlight: ein silberfarbener maroder Holzrest. Den Gesamteindruck beherrscht die Vielfalt der unterschiedlich großen kantigen Latten- und Leistenabschnitte, wie man sie in einer Holzwerkstatt als Abfall finden kann, die bis zu 30 cm aufragen und dem Tableau eine abenteuerlich bewegte Oberfläche verleihen.

Herzstück

Die Wahrnehmung dieser Arbeit wird wieder von einem signifikanten Titel geleitet. Er heißt: „Herzstück – oder: Und was haben Sie für ein Weltbild?“ Der Titel weist den Betrachter mit der Frage suggestiv auf eine bestimmte Bedeutung oder Deutung hin (Weltbild), die das Objekt aber womöglich gar nicht hat; es könnte ja auch aus einem absichtslosen Impuls entstanden sein; zum anderen stellt der Titel den Betrachter gleichsam selbst in Frage, provoziert ihn zur Selbstreflexion und vermag ihn damit möglicherweise von der passiven Kontemplation zur aktiven Auseinandersetzung mit dem Werk führen.

Weitere Arbeiten Wössners beschäftigen sich kreativ und unkonventionell mit gesellschaftlichen und religiösen Fragen, einschneidenden Lebenserfahrungen oder mit historischen Verwerfungen. Einige ruhen auch ganz in sich selbst, andere entwickeln sich in zweckfreiem Spiel, und immer wieder blitzt auch Ironisch-hintergründiges oder Schalkhaftes auf.

Insgesamt gesehen sind Wössners Arbeiten eigenständige und gewichtige Schöpfungen in ganz eigener Ästhetik und mit einnehmender Ausstrahlung und werden, so Günzel, „zu autonomen Kunst-Werken voller Poesie, subtilem Witz und nicht selten einem spielerischen Habitus.“

Ulrich Wössner, geboren 1953 in Haltingen, lebt und arbeitet als bildender Künstler in Weil am Rhein. Studium der Vergleichenden Religionswissenschaften, Ethnologie und Germanistik; berufsbegleitende Ausbildung zum analytischen Psychologen nach C. G. Jung. Veröffentlichung religionswissenschaftlicher und tiefenpsychologischer Aufsätze, Bücher und Vorträge sowie Gedichte. Seit 2016 freischaffend als bildender Künstler im eigenen Atelier tätig. Arbeitsschwerpunkt: Objektkunst.

5 Olympier: Zeus, Hera, Aphrodite, Hephaistos, Ares, 2011 Akazie, MDF-Platten, Acryl, Metall (39 x 25,5 x 189 / 189 / 201 / 151 / 170 cm)
5 Olympier: Zeus, Hera, Aphrodite, Hephaistos, Ares,  2011
Herzstück – oder: Und was haben Sie für ein Weltbild?, 2003 Holz, Acryl, Effect-Spray (50 x 50 x 30 cm)
Herzstück – oder: Und was haben Sie für ein Weltbild?,  2003
Ohne Titel, 2017 Holz, Kleber, Metall, Acryl (30 x 26 x 53 cm)
Ohne Titel, 2017
Kosmos – unvollendet, 2014 Holz, Leim (Würfel 50 x 50 x 50 cm, auf Spitze, schwebend’ ca. 70 x 87 x 95 cm)
Kosmos – unvollendet,  2014
Bau II, 2016 Holz, MdF-Platte, Eisen, Leim, Acryl (75 x 50 x 28 cm)
Bau II, 2016
monument, 2014 Holz, MDF-Platte, Metall, Leim, Acryl (160 x 100 x 231 cm)
monument, 2014
vermessen, 2014 Holz, Metall (85 x 83 x 75 cm)
vermessen, 2014
Triptychon, 2015 Ofenkacheln, Metall, Sand, Humus, Holz, Hornissennest, Seil (Außenmaße gesamt 100 x 70 x 26 cm)
Triptychon, 2015
Die Grablegung des Kreuzes II, 2012 Stein, korrumpiertes Metall, Sand, schwarzes Leinen (30 x 30 x 9,5 cm)
Die Grablegung des Kreuzes II, 2012
Die Drei, 2011 Holz, Sand, Stein (123 x 107 x 19 cm)
Die Drei, 2011
tablet I, 2017 Holz, Glas, Plastik, Leim (41 x 25 x 7 cm)
tablet I, 2017
Stillleben I, 2017 Holz, Keramik, Metall, Dispersion (58 x 32 x 21 cm)
Stillleben I, 2017
NextGen ScrollGallery thumbnailNextGen ScrollGallery thumbnailNextGen ScrollGallery thumbnailNextGen ScrollGallery thumbnailNextGen ScrollGallery thumbnailNextGen ScrollGallery thumbnailNextGen ScrollGallery thumbnailNextGen ScrollGallery thumbnailNextGen ScrollGallery thumbnailNextGen ScrollGallery thumbnailNextGen ScrollGallery thumbnailNextGen ScrollGallery thumbnail

Zurück zu den Künstlern