Spuren der Vergänglichkeit:
Wandel und Beständigkeit in den Werken von Alex F.
Die Moderne unterscheidet sich von anderen Epochen durch ihren fragmentarischen Charakter. Seit dem frühen 19. Jahrhundert erscheinen künstliche Ruinen, Torsi, ja sogar die verwischten Höhlenzeichnungen aus den Ursprüngen der Menschheitsgeschichte in den Bildern der Maler. Diese Fragmente können als Symbole für Vergänglichkeit und Melancholie gelesen werden. Im 20. Jahrhundert erlebt die Kunst mit dem Entstehen der großen abstrakten Richtungen einen weiterenfundamentalen Wandel. Die Sprache der Farbe und die Ausdruckskraft der Formen gewinnen an Eigenleben.
Die Hamburger Künstlerin Alex F. verbindet in ihren Werken diese unterschiedlichen Aspekte wirkungsvoll miteinander. Ihre Arbeiten erinnern auf den ersten Blick an Renaissancefresken, die freigelegt und auf museale Trägerplatten fixiert wurden. Die Form des „Tondo“ zum Beispiel, des runden Bildes, das zur bestimmenden Form ihres neuen Zyklus wurde, entstammt der Renaissance. Diese Form tauchte in der Hochrenaissance in der Toskana auf.
Auch an anderer Stelle entdeckt man bewusst gesetzte Verweise auf die Kunstgeschichte. Sie kommen in den Bildwerken als winzige Spuren zum Vorschein. Vor allem aber ist es die geheimnisvolle Aura, die sich in den übereinander gelagerten Farbschichten offenbart – deren spannungsvolles Wechselspiel, das bei längerem Betrachten geradezu magisch wirkende Räume entstehen lässt. Mit Vorliebe verwendet die Malerin dabei Erdtöne, mit einem kalkigen Weiß vermischt, das den freskenhaften Aufbau ihrer Bilder betont.
Dieser Aufbau erfolgt sehr langwierig und sensibel. Dabei geht Alex F. genau den umgekehrten Weg wie der Restaurator von Fresken in den Kirchen oder Palazzi Italiens. Wie dieser Schicht für Schicht freilegt, um so die wertvollen Fragmente der Zeit zu entreißen, baut sie Schicht für Schicht auf, um einen atmosphärisch dichten Ausdruck zu erzeugen. Der Eindruck, der dabei entsteht, ist dem des übermalten Freskos ähnlich. Aber was bei einem historischen Gebäude durch den Zahn der Zeit bewirkt wird, wird von der Künstlerin im Atelier mit authentischen Materialien nachvollzogen.
Die Intention von Alex F. ist es dabei keinesfalls, die Werke der Renaissance im Sinne der Arbeit des Restaurators neu entstehen zu lassen. Ihr geht es vielmehr um den besonderen Charakter des gegenwärtigen Kunstschaffens, der auf der freien Erfindung, dem Charakter des Materials und dem künstlerisch technischen Geschick beruht. Es kommt viel Unbewusstes ins Spiel, denn sie lässt sich von der Eigendynamik des Malprozesses inspirieren und greift nur bedingt bewusst steuernd ein.
Die museale Eleganz ihrer Werke entsteht durch das Zusammenwirken dieser unterschiedlichen Faktoren, die allerdings nicht bruchlos ineinanderfließen. Bruchstellen und Aussparungen werden bewusst offengehalten und nicht integriert. So entsteht eine Art „Infinito“, wodurch der Arbeitsprozess, der diesen Werken ihre charakteristische Lebenskraft verliehen hat, für den Betrachter nachvollziehbar bleibt.
Text: Dr. Helmut Orpel